Singen ist das unmittelbarste Ausdrucksmittel des Menschen. Die Stimme ist immer dabei, auch wenn es einer mal die Sprache verschlägt. Singen ist gesund, schult die Atmung, fördert die Durchblutung des Gehirns. Singen in Gemeinschaft lässt Menschen sich aufeinander einhören, sich aufeinander einstimmen, sich in eine Gruppe einfügen mit den ihnen eigenen Stärken und Eigenschaften. Singen verbindet.
Singen ist ansteckend. Was bis 2020 markig klang, wurde in Coronazeiten im Wortsinn verinnerlicht. Aber Singen ist eben auch gesund und tut dem Menschen gut. Wie also aus diesem Dilemma herauskommen?
Ökumene ist in Hildesheim keine hohle Phrase. Auch darüber hinaus: in Chören singen Menschen aller Konfessionen und Denominationen, unterschiedlicher Religionen und eben auch ohne einer Religionsgemeinschaft anzugehören – vielschichtige Ökumene eben. Und dass Bach von katholischen Glaubenden hochgeschätzt und für den reformierten Theologen Karl Barth die Engel im Himmel unter sich am liebsten Mozart spielen zeigt, dass die Zeit der musikalischen Trennung längst aufgehoben ist.
Seit knapp vierzig Jahren sind der Mariendom und die Michaeliskirche Hildesheim gemeinsam UNESCO Weltkulturerbe. So lag es nahe, die musikalische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ökumenisch zu denken. Das Hildesheimer Domkapitel und der Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt haben gemeinsam beschlossen, Kräfte zu bündeln und gehen seit dem Schuljahr 2023/2024 den Schritt einer Ökumenischen Singschule Hildesheim. Sie sind überzeugt, dass sie zusammen mehr erreichen und eine größere Strahlkraft haben.
Bereits ab dem Alter von zwei Jahren singen die Jüngsten gemeinsam. Mit besonders ausgebildeten Fachkräften treffen sie sich in drei Gruppen zur Musikalischen Frühförderung Vokal. Spielerisch wird das gemeinsame Singen entdeckt, die Musikalität gefördert und Interaktion in der Gruppe eingeübt. Ab dem Vorschulalter kommen die Kinder in altersspezifische Gruppen. Zunächst wird koedukativ gesungen, später teilen sich die Singenden in die Mädchenkantorei am Hildesheimer Dom und einen Jungenchor. Damit wird der unterschiedlich schnellen Entwicklung der Kinder Rechnung getragen – bspw. haben Jungen ihren Stimmwechsel früher als Mädchen.
Alle Gruppen haben die emotionale und spirituelle Bildung im Blick. Über die gesungene Literatur kommen die Kinder und Jugendlichen ins Gespräch über Jesus und sein Leben, über die Liebesgeschichte Gottes mit den Menschen. Die Singenden erleben die Chorgruppen als Orte, an denen sie sich entfalten können und sich als Individuen in einer Gemeinschaft erleben, in die sie sich aktiv einbringen und die sie trägt.
Im Gestalten der unterschiedlichen Liturgien in unterschiedlichen Kirchräumen, lernen die Singenden die eigenen und die Traditionen und Gottesdienste der Mitsingenden kennen, zu verstehen und gegenseitig wertzuschätzen. Und darüber hinaus lernen Eltern und Großeltern von ihren Enkeln und Kindern.
Die Proben finden außerschulisch an drei Nachmittagen statt. Probenorte sind die Domsingschule auf dem Domhof und das Gemeindezentrum der evangelisch-lutherischen St. Lamberti-Gemeinde in Hildesheim.
Bereits bestehende Vernetzungen im Grundschul- und KiTa-Bereich sollen ausgebaut werden. Dafür ist die Ausbildung von Singpat*innen geplant, die selbständig in den Einrichtungen mit dem Kindern singen.
Die Kinder und Jugendlichen werden zusätzlich stimmbildnerisch in Kleingruppen und einzeln betreut. Das Mitsingen in der Ökumenischen Singschule ist bewusst kostenlos, um möglichst vielen Kindern die Teilnahme und die Erfahrung des gemeinsamen Singens zu ermöglichen.
Michael Culo